Binäre Optionen Handelsstrategien allgemeine Fragen
Als Handelsstrategie lässt sich grundsätzlich jedes Regelwerk definieren, das Kriterien für das
Verhalten eines Traders am Markt aufstellt und im Zeitverlauf objektiv nachvollziehbare Ein- und
Ausstiegssignale generiert. Doch wozu sind Strategien notwendig, was unterscheidet gute von
schlechten Handelsstrategien und welche Besonderheiten gibt es im Hinblick auf Digitaloptionen zu
beachten? Diese und andere Fragestellungen sollen in den nachfolgenden Kapiteln erläutert werden.
Warum sind Handelsstrategien notwendig?
An den internationalen Finanzmärkten werden im Sekundentakt hunderte von Basiswerten
gehandelt, die allesamt in einer spezifischen Situation sind: Charttechnik, Marktpsychologie,
Konjunktur- und Unternehmensdaten bestimmen über den Kursverlauf jedes Assets. Doch welche
Aktien, Indizes, Devisen oder Rohstoffe bieten unter welchen Umständen aussichtsreiche
Perspektiven? Und in welchem Verhältnis stehen diese Perspektiven zum einzugehenden Risiko und
dem eigenen Handelskonto?
Diese Fragen werden mit einer Handelsstrategie pauschal und für alle zukünftig notwendigen
Entscheidungen beantwortet. Eine Handelsstrategie lässt sich als Katalog von quantifizierbaren
Kriterien definieren. Die Strategie legt fest, welche Märkte generell beobachtet werden, in welchen
Werten unter welcher Bedingung eine Position eröffnet wird und – jedenfalls außerhalb des Handels
mit Binären Optionen – wann diese Position wieder zu schließen ist. Bestandteil jeder Strategie sind
Risiko- und Moneymanagement: Hier wird festgelegt, wie viel Geld pro Position investiert wird.
Fast alle erfolgreichen Trader treffen Entscheidungen ausschließlich auf Basis ihrer Strategie und
weichen von dieser unter keinen Umständen ab. Zwar werden Strategien mitunter angepasst und
überarbeitet – aber in ihrer neuen Form erst eingesetzt, wenn alle Tests abgeschlossen sind.
Disziplinierte Trader betrachten ihre Strategie als „Gesetz“, das erst nach der „Verabschiedung“
angewandt werden kann. Wer außerhalb einer Strategie „wild“ handelt oder kein vernünftiges Moneymanagment betreibt, erleidet früher oder später schmerzhafte Verluste. Das
wird nicht zuletzt auf die mentale Belastung zurückgeführt mit dem Handel „auf Sicht“ verbunden ist.
Strategien können rückwirkend getestet werden und erlauben dadurch Rückschlüsse auf die zu
erwartende Performance, auch wenn es diesbezüglich selbstredend keinerlei Garantien geben kann.
Es gibt genügend vollständig entwickelte Strategien, die für jedermann zugänglich und leicht
umsetzbar sind – bei Bedarf auch automatisiert.
Wird eine Handelsstrategie auf einem Konto umgesetzt, entwickelt das Konto im Zeitverlauf eine
Kapitalkurve, die all jene Eigenschaften aufweist, die auch auf einen Investmentfonds zutreffen: Es
gibt eine Wertentwicklung, Schwankungen, eine Trefferquote, Maximalverluste und weitere
Merkmale. Diese Merkmale werden anhand verschiedener Kennzahlen sichtbar gemacht.
Screenshot www.ayondo.com : Das Social Trading-Portal ermöglicht die gezielte Suche nach
Handelsstrategien anhand bestimmter Merkmale wie z. B. dem maximalen Drawdown.
Einsteiger achten beim Vergleich verschiedener Strategien häufig nur auf den Profitfaktor, der auch
als Gesamtperformance bezeichnet und häufig als Rendite pro Jahr angegeben wird. Der Profitfaktor
sagt jedoch alleinstehend wenig über die Qualität einer Strategie und noch weniger über deren
Eignung für den Handel mit Binären Optionen aus. Wichtiger ist seine Zusammensetzung.
Kennzahlen für die Qualität von Handelsstrategien
Der Profitfaktor ist das Produkt aus Trade Ratio (auch bezeichnet als Trefferquote, Ratio
Gewinntrades o.Ä.) und Payoff Ratio (Verhältnis der Gewinne in Gewinntrades zu den Verlusten in
Verlusttrades). Die spezielle Bedeutung dieser beiden Größen für den Handel mit Digitaloptionen
wird unten (Kann jede Handelsstrategie auf Binäre Optionen angewendet werden?) näher erläutert.
Beim Vergleich verschiedener Strategien sollen annualisierte Profitfaktoren verwendet werden, da
manche Strategien sich auf einen Beobachtungszeitraum von wenigen Wochen, andere auf
Zeiträume von Jahren beziehen können. Der Profitfaktor muss im Kontext zum Risiko einer Strategie
betrachtet werden: Eine Strategie mit gegebenem Profitfaktor ist umso besser, je niedriger Volatilität
(Schwankungen der Ergebnisse) und maximaler Drawdown (maximal erlittener Verlust im
Beobachtungszeitraum pro Woche, Tag, Monat usw.) ausfallen.
Der Beobachtungszeitraum ist entscheidendes Kriterium bei der Bewertung von Strategien. Gute
Handelsstrategien erzielen entweder in allen Marktlagen akzeptable Ergebnisse oder deaktivieren
sich bei ungünstigen Marktkonstellationen durch einen Filter selbst, damit die in besseren Zeiten
erzielten Gewinne nicht wieder verloren gehen.
Ein klassisches Beispiel für Strategien mit großer Abhängigkeit von der jeweiligen Marktlage sind
Trendfolgestrategien: Diese erzielen in trendstarken Phasen gute Ergebnisse, produzieren in
dauerhaft seitwärts gerichteten Märkten jedoch laufend Fehlsignale und damit Verluste. Hier kann
ein zusätzlicher Indikator als Filter helfen: Signale sind in diesem Fall nur „wirksam“, wenn der
Indikator das Vorliegen eines Trends nahelegt.
Erfolg durch Qualität oder nur Zufall?
Die Performance einer Handelsstrategie bezieht sich notwendigerweise auf zurückliegenden
Zeiträume. Es ist deshalb nie ganz auszuschließen, dass das gute Abschneiden eines Ansatzes auf
simplen Zufall und nicht auf eine qualitativ ausgereifte Strategie zurückzuführen ist. Das Risiko einer
solchen Fehleinschätzung lässt sich aber reduzieren, indem die Zusammensetzung der Performance
überprüft wird: Entfällt der Großteil des Gesamtgewinns auf einige wenige Trades und sind deren
große Kursbewegungen obendrein auf außergewöhnliche Ereignisse zurückzuführen und keiner
auslösenden charttechnischen Situation zuzuordnen, basiert der Erfolg womöglich auf Zufall.
Kann jede Handelsstrategie auf Binäre Optionen angewendet werden?
Im Aktien- und Devisenhandel ist Verlustbegrenzung das oberste Gebot erfolgreicher Trader:
Positionen werden dort schon bei der Eröffnung mit einem Stop-Loss ausgestattet, damit der
maximale Verlust in jedem einzelnen Trade von Beginn an begrenzt und damit beherrschbar ist. Hier
ergibt sich ein wesentlicher Unterschied zu Binären Optionen.
Der maximale Verlust einer Binären Option ist zugleich der Verlust, der eintritt, wenn die Option
nicht im Geld abgerechnet wird. Einen Zwischenbereich mit kleinen Verlusten gibt es bei diesen
Instrumenten nicht. Dementsprechend erübrigen sich auch sämtliche Maßnahmen zur
Verlustbegrenzung in jeder einzelnen Position.
Gleichzeitig ist auch der Gewinn einer Digitaloption von vornherein festgelegt: Es spielt keine Rolle,
ob die Option nur knapp im Geld abgerechnet wird oder bei Fälligkeit tief im Geld liegt. Daraus ergibt
sich eine einfache Implikation für Handelsstrategien: Entscheidend ist ausschließlich die Trefferquote
bzw. Trade Ratio!
Je höher die Trefferquote, desto höher fällt der Gewinn aus. Zahlt ein Broker im Gewinnfall 70%
Rendite und werden Optionen ansonsten mit einem Restwert von 10% abgerechnet, führt eine
Trefferquote von 50% zu einem Verlust von 10% bezogen auf den anfänglichen Kontostand (z. B.
50x170+50x100=9.000 bei 100 € Einsatz pro Option und 100 Trades).
Eine Trefferquote von 60% führt mit der vorstehenden Zahlenkonstellation zu einer Rendite in Höhe
von 6%, die – sofern sie im Laufe eines ganzen Jahres erwirtschaftet wird – für das übernommene
Risiko viel zu groß ist. Mit einer Trefferquote von 70% wird dagegen eine hohe Rendite von 22%
erreicht, 80% reichen für 38% usw.
Wie hilfreich sind automatisierte Handelsstrategien?
Im Aktien- und Devisenhandel sind automatisierte Handelsstrategien längst die Regel, bei Binären
Optionen noch immer nicht Standard. Automatisierte Strategien unterscheiden sich nicht von
anderen Strategien: Ein Regelwerk erzeugt Signale, die dann allerdings nicht manuell, sondern durch
eine Software umgesetzt werden. Die automatisierte Umsetzung ist eine zeitliche Entlastung und
ermöglicht für manche Strategien mit sehr hoher Handelsaktivität erst deren Umsetzung.
Im Hinblick auf Binäre Optionen ist zu konstatieren, dass die Branche leider hinter ihren speziellen
Möglichkeiten zurückbleibt. Wünschenswert wären z. B. Auto-Strategien für 60-Sekunden-Optionen,
die in Echtzeit die Situation im Orderbuch der Referenzbörse ausnutzen und daraus via Algorithmus
zuverlässige Prognosen über den Kursverlauf treffen. Derlei ist bislang ebenso wenig in Sicht wie eine
vollständige Integration des Optionshandels in Plattformen wie MetaTrader.
Wie kann eine eigene Strategie entwickelt werden?
Die Entwicklung einer eigenen Strategie ist für Einsteiger und moderat Fortgeschrittene nicht
empfehlenswert, wenn eine sofort einsetzbare und erfolgversprechende Handelsstrategie benötigt
wird. Es ist allerdings möglich, die Entwicklung eines Handelsansatzes „auf dem Papier“ zu üben und
die Strategie ggf. auf einem Demokonto umzusetzen und die Resultate abzuwarten.
Im Hinblick auf Binäre Optionen steht eine hohe Trefferquote im Vordergrund. Geeignet für eine
Strategie ist deshalb alles, was Handelssignale mit hinreichender Eintrittswahrscheinlichkeit (ab ca.
60-70% bei einfachen Up/Down-Kontrakten) erzeugt. Dabei kann es sich um Trendfolge- und
Ausbruchstrategien ebenso handeln wie um Umkehrstrategien oder Scalping.
Einen Überblick über
gängige Handelsansätze und ihren Einsatz in der Praxis bieten die Kapitel 3.1 bis 3.7.
|
|